1. Teil Interview mit Vertriebsspezialistin Julia Kaden

„Bei Tierbesitzern steigt der Wunsch nach einer fachlich fundierten Beratung“

Warum eine Tier-Krankenversicherung gerade jetzt viel Potenzial – sogar Cross-Selling-Potenzial – bietet und was das mit der GOT zu tun hat, verrät Versicherungsspezialistin Julia Kaden im Interview.

10:09 Uhr | 08. September | 2023
Tierkrankenversicherung Teil 1
| Quelle: svetikd

Frau Kaden, warum haben Maklerinnen und Makler vor allem jetzt viel Potenzial, um sowohl Bestands- als auch Neukunden eine Tierversicherung zu verkaufen?

Julia Kaden: Das aktuelle Zeitgeschehen und die Entwicklungen der letzten Jahre haben dazu beigetragen, dass sich die Bedürfnisse und Wünsche der Menschen ändern. Die Inflation und steigende Lebenshaltungskosten, die Erneuerung der Gebührenordnung der Tierärzte (GOT) und der medizinische Fortschritt verändern das Bewusstsein und das Verhalten der Bevölkerung, vor allem der Haustierbesitzer. Haustiere sind nicht mehr nur Nutztiere mit einer Aufgabe (Wachen, Jagen, Hüten etc.), sondern sie sind zu Sozialpartnern geworden. Ein Hund oder eine Katze werden als Familienmitglieder angesehen und die Besitzer wünschen sich, dass die gemeinsame Zeit lang und glücklich ist.

Die Erneuerung der GOT sorgt für eine 30 bis 40-prozentige Kostensteigerung, die zwar für einen Aufschrei gesorgt hat, aber dringend notwendig war. Das spürt jetzt jeder Haustierbesitzer, der mit seinem Tier zum Arzt muss. Außerdem haben Haustiere mittlerweile eine deutlich höhere Lebenserwartung, aber leider auch immer mehr Erkrankungen – ähnlich wie beim Menschen.

Ein Gespräch über eine Absicherung für das geliebte Haustier im Krankheitsfall gibt meinen Kunden Sicherheit und kommt dem Wunsch einer guten medizinischen Versorgung nach. Die emotionale Last kann ich ihnen zwar nicht nehmen, aber wenigstens die finanziellen Sorgen.

Im Jahr 2022 wurden 15,2 Mio. Katzen und 10,6 Mio. Hunde in deutschen Haushalten gezählt. Der Haustiermarkt wächst überproportional in den letzten Jahren, Dienstleistungen und Produkte rund ums Tier schießen wie Unkraut aus dem Boden: Wer das verstanden hat, weiß um das Potenzial in diesem Bereich.

Julia Kaden, Spezialistin für Versicherung & Finanzen

Julia Kaden, Spezialistin für Versicherung & Finanzen bei dem Finanzvertrieb Dr. Klein

| Quelle: Julia Kaden

Gibt es aus Ihrer Sicht erkennbar mehr Abschlüsse seit der Erhöhung der Tierarztgebühren (GOT)?

Kaden: Ganz besonders spüre ich die steigende Anfrage und den Wunsch nach einer ausführlichen und fachlich fundierten Beratung bei Tierbesitzern. Wo vorher die aktive Ansprache des Vermittlers notwendig war, ist es jetzt der Kunde selbst, der von sich aus speziell hierfür um einen Termin bittet.

Die Abschlüsse sind in den letzten fünf Jahren schon tendenziell gestiegen, seit der Erhöhung der GOT ist aber ein deutlicher Anstieg zu spüren. In der Vergangenheit wurde eine Versicherung ohne weiteres Nachdenken abgeschlossen, meist nach einer kurzen Recherche im Netz. Hier ist ein Wandel deutlich spürbar: Die Anforderungen an die Beratung wächst enorm, denn die Fragen werden spezieller und können nicht mit einem Blick in die Leistungsübersicht beantwortet werden.

Dieser Anstieg ist in Hinblick auf die Anschaffung besonders spannend: Die Anzahl der Menschen, die sich ein Tier angeschafft haben, ist während Corona stark gestiegen – zurzeit geht die Zahl allerdings wieder deutlich zurück. Tierschutzvereine, Tierheime und Züchter berichten, dass die Anfragen und Vermittlungen extrem gesunken sind. Kurzum: Es werden weniger Tiere angeschafft, dennoch steigen die Abschlüsse. Die Entscheidung für ein Tier findet bewusster statt und damit wächst der Bedarf nach einer finanziellen Absicherung.

Welche Argumente neben der GOT bieten weitere Gesprächsanlässe für Makler, um mit ihren Kunden über eine Tierversicherung ins Gespräch zu kommen?

Kaden: Auf der einen Seite möchten meine Kunden Geld einsparen, haben auf der anderen Seite aber Angst vor den hohen Kosten. Als Vermittler oder Vermittlerin ist es meine Aufgabe, die Lebenssituation zu beleuchten und Risiken aufzudecken. Die Argumente sind sowohl monetär als auch emotional zu verstehen. Eine Tierkrankenversicherung bietet vorhersehbare Kosten, denn ein monatlicher, regelmäßig wiederkehrender Betrag kann in die Ausgaben einkalkuliert werden.

Anders ist es bei einem unvorhergesehenen medizinischen Notfall: ein plötzlicher Bandscheibenvorfall bei einem Hund kann schnell bis zu 3.000 Euro an tierärztlichen Kosten nach sich ziehen. Das Unglück schläft nicht, leider auch bei Tieren. Man kann sie nicht in Watte packen und nicht vor allem schützen. Wenn der Hund es beim Toben übertreibt und plötzlich humpelt, kann die Diagnose „Kreuzbandriss“ das Konto mal eben um bis zu 5.000 Euro schmälern. Diese Kosten können weder einkalkuliert werden, noch weiß man, wann etwas passiert. Wer monatlich „Geld zurücklegen“ möchte, hat nach drei Monaten voraussichtlich noch keine 3.000 Euro angespart.

Außerdem gehört eine gute Tierkrankenversicherung zu den „nutzbaren“ Absicherungen. Mit einer Vorsorgepauschale oder auch der OP-unabhängigen Physiotherapie ist diese Versicherung für den Kunden greifbar.

Das Auto ist des Deutschen liebstes Statussymbol, das häufig besser abgesichert ist als andere Bereiche. Wir reden hier von einem Gebrauchsgegenstand, dessen Wert in Zahlen festgelegt werden kann. Ein Haustier hat nach dem Gesetz zwar auch einen Wert, weil es in Deutschland noch immer als „Sache“ gilt, der emotionale Wert ist aber nicht zu ersetzen. Da ich sehr aktiv im Inlands- und Auslandstierschutz ehrenamtlich arbeite, sehe ich leider zu oft, dass Tiere abgegeben werden, die krank sind und deren Behandlung die finanziellen Möglichkeiten der Besitzer sprengt. Eine Horrorvorstellung für jeden Tierhalter, das geliebte Haustier abgeben zu müssen, weil man sich Behandlungen nicht leisten kann.

Auf welchen Wegen können Vermittlerinnen und Vermittler Tierbesitzer am besten erreichen?

Kaden: Die Vertriebswege können vielfältig sein: Tierbedarfsgeschäfte, Hundeschulen, Tierarztpraxen, Züchter, Haustiermessen etc. – welche davon sind allerdings nachhaltig? Wie kann aus diesen Kontakten eine langfristige und gesunde Beziehung entstehen? Dazu braucht es Fachwissen über Versicherungen hinaus, fundierte Kenntnisse über Tiergesundheit, Empathie und Tierliebe. Die emotionale Ebene bei einer kompetenten Beratung über die Absicherung des Tieres sorgt für Vertrauen, so fühlt mein Kunde sich gut aufgehoben und vertraut mir weitere Bereiche in Bezug auf Versicherungen an.

Vor allem das Cross-Selling kann sich bezahlt machen: Beim Thema Haftpflichtversicherung sollte immer die Frage gestellt werden, ob ein Hund zur Familie gehört. Auch von der Hausratversicherung kommt man schnell zum Haustier, denn diese sind als Sache als Hausratgegenstand mitversichert. Wer hier Feingefühl besitzt, stellt die Bezeichnung „Gegenstand“ direkt in Frage und landet automatisch bei dem Angebot der Tierkrankenversicherung.

Auch andersherum funktioniert das sehr gut: Spricht man gerade über die Hundekrankenversicherung, kann das Thema umgelenkt werden zur Existenzsicherung. Denn wie kann das Tier weiterhin finanziell gut versorgt werden, wenn man durch eine langandauernde Erkrankung Einkommenseinbußen verzeichnen muss?

Eine reine Tier-OP-Versicherung ist preiswerter als eine Tierkrankenversicherung. In welchen Fällen lohnt sich eine OP-Versicherung und wann sollten Tierbesitzer tiefer in die Tasche greifen?

Kaden: Grundsätzlich beginne ich jede Beratung der Tierkrankenversicherung mit folgendem Satz: Die OP-Versicherung ist die Teilkasko und die Krankenversicherung die Vollkasko. Das versteht im ersten Schritt jeder Kunde. Es ist also dieselbe Frage wie in jedem Gespräch: Welches ist das höchste Risiko, ganz individuell für den Kunden?

Ich empfehle grundsätzlich immer eine Krankenversicherung, denn hohe Kosten kommen häufig durch allgemeine Behandlungen zustande und bei vielen Erkrankungen nützt mir eine OP-Versicherung herzlich wenig. Beispielsweise wird bei einem fünfjährigen Hund Epilepsie diagnostiziert, für jeden Hundebesitzer eine erschütternde Nachricht. Epilepsie ist eine sehr kostenintensive Erkrankung, denn allein für den genauen Befund werden mehrere sehr teure bildgebende Maßnahmen (z.B. CT), viele spezielle Blutbilder und besondere Medikamente benötigt. An die Medikation muss der Tierarzt sich erst herantasten, bis die Dosierung und Kombination perfekt auf den Hund abgestimmt sind. Die Medikamente können bis zu 100 Euro im Monat kosten, die der Hund dann vermutlich auch sein Leben lang braucht. Hier kommen über die Zeit also so einige tausend Euro zusammen, ohne dass eine OP erfolgt. Epilepsie gehört übrigens zu den häufigsten neurologischen Erkrankungen. Wie gut, wenn das Tier rechtzeitig und umfangreich versichert wurde.

Als „preisliche Stellschraube“ nutze ich immer die Selbstbeteiligung, denn diese lässt sich gut kalkulieren und verändert den Preis spürbar.

Lesen Sie in Teil 2 des Interviews, ob eine OP-Versicherung bei Katzen tatsächlich ausreicht, warum Rettungs- und Therapiehunde eine spezielle Absicherung benötigen und was Vermittler beim Abschluss einer Tierkrankenversicherung beachten müssen.