Oft liest man, dass bei Katzen bspw. eine OP-Versicherung ausreicht. Stimmt das? Wann sollten Katzen eine Vollversicherung bekommen?
Julia Kaden: Dass eine OP-Versicherung bei Katzen ausreicht, halte ich für eine fahrlässige Aussage. Die Annahme, dass Katzen weniger gefährdet sind, weil sie sich entweder vollständig im Haus aufhalten oder im Umkreis des Hauses, wiegt so manchen Katzenbesitzer in Sicherheit. Aber auch bei den Samtpfoten sind die häufigsten Erkrankungen solche, die nicht mit einer Operation behandelt werden können. Zum Beispiel Atemwegs-, Magen-Darm- und Krebserkrankungen werden oftmals medikamentös behandelt.
Die Kosten einer OP sind auf den ersten Moment immer höher als bei einer Behandlung, wenn aber länger nach Ursachen gesucht werden muss, viele bildgebende Maßnahmen benötigt werden, ein Notfall außerhalb der Geschäftszeiten eintritt, dann bleibt ein Kunde auf diesen hohen Rechnungen sitzen. Egal ob Freigänger oder Stubentiger: eine unvorhergesehene Krankheit oder ein Unfall kann jedes Tier treffen.
Wie sieht es mit Rettungs- oder Therapiehunden aus? Benötigen diese eine spezielle Absicherung? Wenn ja, welche?
Kaden: Die Ausbildung von Rettungs- und Therapiehunden ist enorm kostspielig und zeitintensiv. Ein umfangreicher Schutz ist absolut zu empfehlen, vor allem auch durch das erhöhte Risiko, dem diese Hunde ausgesetzt sind. Die verantwortungsvolle Aufgabe bringt auch für die Besitzer eine hohe Verantwortung mit sich. Gesunde Tiere sind konzentrierter und stressresistenter als erkrankte Tiere, die geschont werden müssen und vielleicht „arbeitsunfähig“ sind durch anhaltende Schmerzen.
Die Absicherung sollte daher jede Lücke mit einer leistungsstarken Krankenversicherung schließen, damit eine medizinische Rundum-Versorgung gewährleistet werden kann. Hierbei sollte der Vermittler darauf achten, dass in den vorgeschlagenen Tarifen der 4-fache GOT-Satz mitversichert ist, da dieser in Notfällen außerhalb der Geschäftszeiten immer berechnet wird. Denn Rettungseinsätze können zu jeder Nacht- und Tageszeit stattfinden. Außerdem sollten auch Leistungen wie Physiotherapie, preislich unbegrenzte Nachbehandlung und auch der Auslandsschutz mitversichert sein – gerade für Rettungshunde, die auch im Ausland eingesetzt werden.
Auf welche relevanten Merkmale sollten Vermittler und Kunden achten, wenn es um den Abschluss einer Tier-Krankenversicherung geht?
Kaden: Jedes Tier und jeder Besitzer bringen eine individuelle Geschichte mit, die es im Vorfeld zu klären gilt. Daher sollte man sich mit den Bedürfnissen des Kunden, der Lebenssituation und dem Gesundheitszustand des Tieres auseinandersetzen. Chronische Vorerkrankungen, die nicht heilbar sind, oder akute gesundheitliche Probleme führen dazu, dass die Auswahl der Anbieter sinkt. Gerade bei Tieren, die aus dem Ausland ihren Weg nach Deutschland finden, ist der Wunsch nach einer Absicherung groß, aber nicht immer umsetzbar. Wenn ich mir als Vermittler bei einer bestimmten Krankheit nicht sicher bin, dann bietet es sich an, mit dem Versicherer Kontakt aufzunehmen und nachzufragen.
Außerdem sollten jährliche Erstattungslimits und Begrenzungen betrachtet werden. Es gibt Tarife auf dem Markt, die eine niedrige Erstattung pro Jahr beinhalten, was bei schwerwiegenden Erkrankungen nicht ausreichen wird. Wichtige Leistungen sind meines Erachtens die freie Tierarzt- & Klinikwahl, der Umgang mit rassespezifischen Erkrankungen & Fehlentwicklungen, alternative Behandlungsmethoden sowie Hilfsmittel (z.B. Prothesen) und die Mitversicherung von Zahnbehandlungen. Besonderheiten wie beispielsweise die Vorsorgepauschale, Bestattungskosten oder begrenzte Reiserücktrittskosten sind dann noch das Tüpfelchen auf dem i.
Besonders genau sollte ich mir als Vermittler immer die Tarifgestaltung anschauen: Wann kann ein Vertrag seitens des Versicherers gekündigt werden? Wie viele altersbedingte Beitragserhöhungen in der Vertragslaufzeit kommen auf den Kunden zu? Gibt es spezielle Ausschlüsse (oftmals z.B. das brachyzephale Syndrom bei kurzschnäuzigen Hunden)? Welche allgemeinen und besonderen Wartezeiten gibt es? Wird die Erstattungshöhe prozentual gesenkt im Alter oder fällt eine Selbstbeteiligung ab einem bestimmten Lebensjahr an? Diese Fragen sollten geklärt und mit dem Kunden besprochen werden, damit es in der Zukunft keine Probleme gibt.
Auf welche relevanten Merkmale muss beim Abschluss einer OP-Versicherung geachtet werden?
Kaden: An sich kann ich dieselbe Antwort wie bei der vorherigen Frage geben, allerdings kommen hier weitere Betrachtungspunkte hinzu: Da nur Kosten erstattet werden, die sich auf eine Operation beziehen, gilt es die Vor- und Nachsorge zu beleuchten. Werden in der Vorbehandlung zur OP nur bestimmte Diagnostiken unterstützt? Welche zeitlichen Begrenzungen gibt es? Manche Anbieter leisten nämlich nur für Untersuchungen an den letzten Tagen vor dem Eingriff.
Weitere wichtige Punkte: Sind die tierärztlichen Maßnahmen zur Vorbereitung auf die OP abschließend aufgeführt? Denn wenn es in der Zukunft neue Methoden gibt, wären diese nicht mitversichert. Für die Nachbehandlung nach einer Operation gilt dasselbe. Wie lange werden Kosten einer stationären Unterbringung übernommen und in welcher Höhe? Welche Behandlungsmethoden werden aufgeführt?
Außerdem ist es besonders wichtig, dass auch Lokal- und Teilanästhesien sowie auch Biopsien und Punktionen als Operationen eingestuft werden. Minimalinvasive Eingriffe treten sehr häufig auf und auch wenn diese keine hohe Rechnung mit sich ziehen, ist der Ärger des Kunden vorprogrammiert, falls keine Erstattung erfolgt.
Zu guter Letzt: Haben Sie selbst auch einen Hund oder eine Katze? Wenn ja, wie ist das Tier versichert?
Kaden: Aufgrund meines Einsatzes im Tierschutz nehme ich immer wieder besondere Notfälle auf. So fanden zwei besondere Hunde den Weg zu mir, die mich in meinem Ehrenamt unterstützen. Meine Border Collie Hündin wurde aufgrund schlechter Verpaarung mit einem Gendefekt geboren: Sie ist taub und blind, was einen Versicherungsschutz fast unmöglich machte. Immerhin habe ich noch eine Unfallversicherung für sie abschließen können.
Mein English Setter Rüde ist als Notfallkandidat mit mehreren und schweren Mittelmeererkrankungen zu mir gekommen. Damals gab es keine Anbieter, die ihn versichert hätten. Erst jetzt gibt es einen Versicherer, der ihn aufnehmen würde, allerdings ist er jetzt zu alt dafür. Daher musste auch bei ihm eine Unfallversicherung ausreichen.
Zusätzlich leben zwei Katzen aus dem Tierheim bei mir, die ich beide rechtzeitig krankenversichern konnte. Mein Leben ist den Tieren gewidmet, die keine Chance haben, sollte aber mal ein Hund dabei sein, der gesund und versicherbar ist, werde ich ohne Umwege eine Krankenversicherung abschließen, da ich jetzt schon der beste Kunde meines Tierarztes bin.
Lesen Sie in Teil 1 des Interviews, warum eine Tierversicherung viel Potenzial bei Neu- und Bestandskunden bietet und sich sogar Cross-Selling bezahlt macht, auf welchem Wege Vermittler ihre Kunden am besten erreichen und welche Argumente die neue GOT bietet.