Experten-Interview

„Die private Altersvorsorge ist garantiert kein Auslaufmodell!“

Michael Hauer ist Geschäftsführer des Instituts für Vorsorge und Finanzplanung und Experte für alle Vorsorgefragen. Wie lassen sich seiner Ansicht nach junge Menschen von der Notwendigkeit einer privaten Altersvorsorge am besten überzeugen?

11:09 Uhr | 07. September | 2023
Prof. Michael Hauer
| Quelle: IVFP

Herr Hauer, beschäftigen sich junge Menschen heutzutage mehr mit Altersvorsorge als vor 20 Jahren? Wie ist die Generation Z informiert?

Michael Hauer: Nein, das hat sich nicht sehr verändert. Junge Menschen sind heute zwar digital affiner als früher und offener für Aktien und Börse. Aber in meinen Finance-Vorlesungen hat längst nicht jeder Student bereits ein Depot. In dem Alter hat man vieles anderes im Kopf als die Altersvorsorge, zum Beispiel das erste Auto, die erste eigene Wohnung, Partnerschaft oder Urlaub. Selbst von den heute 30-39-jährigen hat sich laut einer Allensbach-Umfrage jeder Dritte noch nicht näher mit der eigenen finanziellen Lage im Ruhestand beschäftigt.

Wie können Vermittler die junge Zielgruppe für Altersvorsorge konkret erreichen?

Hauer: Sie müssen Interesse bei ihnen wecken, indem sie einen gewissen Spaß an der Sache vermitteln. Vermittler sollten deutlich machen, dass Kunden einen echten Mehrwert erreichen können. Dies hat sich nicht verändert, aber der Zugangsweg, die Mittel und Medien sind anders als vor 20 Jahren, denn Spaß wird heute über Social Media und Gamification vermittelt. Auf Influencer hören junge Leute eher als auf einen 50-jährigen Berater. Es schadet daher nicht, zu kennen, was dort zirkuliert.

Inwieweit sollte man mit Drohkulissen à la Altersarmut arbeiten?

Hauer: Das sollten Vermittler auf keinen Fall tun. Sie können mit sachdienlicher Information viel mehr bewegen, wenn die jungen Kunden erkennen, dass sie ein Problem haben. Ich spreche generell lieber von einer Lebensstandard- statt einer Versorgungslücke. Sehr viele Menschen sind zwar im Alter noch irgendwie versorgt, können aber nicht mehr den gewohnten Lebensstandard halten. Wenn sie aber kein Problem erkennen, suchen sie auch keine Lösung. Daher müssen Berater das Problem vermitteln, nicht eine Drohung. Die Lösung ist Altersvorsorgesparen.

Wie offen sind junge Menschen mit oftmals begrenztem Budget für eine umfassende Altersvorsorgeberatung? Konsumverzicht ist doch sicher selten eine echte Option?

Hauer: Richtig, das ist auch verständlich, denn die Präferenzen sind bei der jungen Zielgruppe anders. Das hören Vermittler nicht gern. BU sollte daher immer vor Altersvorsorge gehen. Gleichwohl kann man empfehlen, den Zinseszinseffekt zu nutzen, auch mit kleineren Sparbeiträgen. Wichtig ist, das Thema nicht langfristig zu verdrängen. Sie müssen als Vermittler Geduld haben und nachhaken, denn sobald die jungen Kunden etwas mehr verdienen, sollte definitiv wieder nachgefragt werden.

Verfügt die Branche über ausreichend geförderte Altersvorsorgeprodukte?

Hauer: Riester ist praktisch vom Tisch, die betriebliche Altersvorsorge (bAV) ist aber auf jeden Fall auch für Einsteiger empfehlenswert. Jeder Arbeitgeber muss hier eine Lösung anbieten. Die Basisrente indes ist für junge Menschen oftmals noch nicht empfehlenswert, denn sie lohnt sich in der Regel erst ab einem Grenzsteuersatz über 30 bis 35 Prozent.

Hier gibt es zwar Einschränkungen bei der Leistung – nur als Leibrente – und der Vererbbarkeit. Aber bei der Anlage lässt die Basisrente im Gegensatz zu Riester eine völlige Flexibilität zu. Sie können kostengünstig und steuerlich absetzbar in Wertpapiere wie ETF investieren. Es handelt sich um eine staatlich geförderte Wertpapierrente. Langfristig hat dies einen enormen Hebel.

Es gibt einen Trend bei jungen Menschen, vermehrt über Robo Advisors direkt in ETF/Investmentfonds zu investieren? Wäre eine beratungsfreie Altersvorsorge eine Option?

Hauer: Bei der Basisrente braucht es Beratung, denn hier geht es um steuerliche Fragen, die komplex werden können. Ich bin ein großer Freund von Beratung, denn Menschen können bei der Anlage leicht Fehler aus Unkenntnis machen, die sie am Ende extrem teuer zu stehen kommen können. Man spart vielleicht 1 bis 2 Prozent Kosten zu Beginn, wenn man auf Beratung verzichtet und hat am Ende 20 Prozent Verluste, weil man bei einem Kursrutsch an der Börse in Panik gerät und das Investment vorzeitig mit Verlust auflöst. Der Vermittler in der Altersvorsorge wird meiner Ansicht nach nicht obsolet werden!