„Mit einem langen Anlagehorizont lassen sich auch temporäre Verluste durchhalten“
Carolin Preuß studierte Wirtschaftswissenschaften an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg im Studienbereich Investment Banking & Capital Markets und begann ihre Karriere bei verschiedenen Vermögensverwaltern. Seit 2008 war sie im institutionellen Asset Management als Portfoliomanagerin und Quant Researcherin tätig, bevor sie 2014 als Portfoliomanagerin zur HanseMerkur Trust (HMT) wechselte.
Frau Preuß, was ist Ihre genaue Aufgabe bei der HanseMerkur Trust – und wie viel Geld verantworten Sie?
Carolin Preuß: Ich manage vier Strategiefonds. Das sind Dachfonds, die unser Mutterhaus, die HanseMerkur, in fondsgebundenen Versicherungen einsetzt und in denen knapp 200 Millionen Euro liegen. Neben dieser Aufgabe betreue ich auch Spezialfonds für Drittkunden und die Kapitalanlagen der HanseMerkur. Dort entwickeln wir weitere Strategien, die aber nicht zwingend in Publikumsfondsmänteln stecken.
Ihr Motto lautet „Geist vor Gier“ – und das setzen Sie bei der HanseMerkur Trust täglich um. Doch kann man Fonds in Millionenhöhe managen, ohne das Verlangen nach Wachstum?
Preuß: Grundsätzlich hat sicherlich beides seine Daseinsberechtigung. Hedgefonds gehen zum Teil extreme Wetten ein, um außergewöhnliche Renditen zu erzielen. Wer dort investiert, kann aber auch höhere Kursrückgänge gut verkraften. In unseren Strategiefonds steckt jedoch die Altersvorsorge unserer Kunden. Hier sollten wir nicht gierig sein, sondern besonnen investieren.
Ihr Anspruch ist es also, Vermögen langfristig aufzubauen und zu erhalten – was genau bedeutet das für die Anleger?
Preuß: Wie erwähnt, werden die Strategiefonds unter anderem zur Altersvorsorge genutzt. Wir möchten das mühsam verdiente Geld unserer Kunden vermehren – bei kontrollierten Risiken. Deshalb reduzieren wir gegebenenfalls an der ein oder anderen Stelle das Risiko und schöpfen die Renditemöglichkeiten nicht vollends aus.
Aber wenn wir – wie beispielsweise in der Corona-Krise – die Drawdowns etwas abfedern, müssen Anleger am Ende nicht schlechter dastehen. Das ist einfache Mathematik: Sind 100 Euro im Aktienmarkt investiert und dieser fällt um 50 Prozent, dann bleiben 50 Euro übrig. Steigt er anschließend um 50 Prozent, dann habe ich 75 Euro. Das gleiche Beispiel mit 30 Prozent liefert mir am Ende 91 Euro.
Stichwort Multi-Asset-Fonds: Warum lässt sich so das Risiko am besten kalkulieren?
Preuß: Bei unseren Fonds handelt es sich um international ausgerichtete Multi-Asset-Klassen-Dachfonds. Die Fonds weisen eine breite Diversifikation sowohl über Asset-Klassen als auch über Regionen auf. Daneben bieten sie eine aktive Asset Allocation und den situativen Einsatz von Put-Optionen in schwierigen Marktphasen.
Wir bieten Anlegern eine flexible, breit diversifizierte aktive Anlagestrategie. Hierzu investieren wir in verschiedene Anlageklassen, deren Quoten wir aktiv steuern, um sie an die Kapitalmarkt- und Konjunkturerwartungen anzupassen. Bei einem positiven Ausblick ist unser Portfolio offensiv ausgerichtet, um an den Chancen des Kapitalmarkts zu partizipieren. In volatilen Phasen wollen wir durch unsere aktive Steuerung Drawdowns begrenzen und so für attraktive Basiseffekte sorgen. Wir sind der Meinung, dass uns dies in den letzten zehn Jahren gut gelungen ist.
Eine noch relativ junge Assetklasse sind die Strategie-Fonds, die sich danach richten, was für ein Anlagetyp mein Kunde ist. Ein Modell, das Sie uneingeschränkt empfehlen würden?
Preuß: Wir würden Strategie-Fonds jetzt nicht als eigene Assetklasse bezeichnen. Vielmehr handelt es sich bei den Strategiefonds um aktiv gemanagte Multi-Asset-Fonds. Auf eine Einzeltitelauswahl verzichten wir hierbei bewusst und allokieren das Geld in Märkte, d.h. beispielsweise US-Aktien oder europäische Unternehmensanleihen. Dies stellen wir kostengünstig über die Investition in ETFs dar.
Diese Art von Produkten ist sicherlich für solche Kunden zu empfehlen, die sich nicht eigenständig um die Geldanlage kümmern können bzw. möchten. Zu empfehlen wäre dabei, in jungen Jahren die Altersvorsorge in die risikoreicheren Strategiefonds zu investieren und den Anteil der konservativeren Strategien im Alter zu erhöhen.
Neues Jahr, neue Chancen auf den Aktienmärkten… Welche Strategieempfehlungen haben Sie für Anleger?
Preuß: Generell: Die Entscheidung, in welche Strategie – konservativer oder risikoreicher – zu investieren ist, sollte nicht vom (kurzfristigen) Ausblick abhängen, sondern, wie bereits in der vorherigen Frage angedeutet, vom Anlagehorizont. In jungen Jahren, mit einem langen Anlagehorizont, kann man temporäre Verluste auch durchhalten. Langfristig haben sich die Aktienmärkte immer besser entwickelt als die Rentenmärkte, deshalb sollte in jungen Jahren in die chancenreichere Strategie investiert werden. Wenn der Anlagehorizont dagegen geringer ist, sollte man das Risiko im Auge behalten und deshalb in sicherheitsbewusstere Strategien investieren.
Wie setzen Sie diese Strategien konkret bei der HanseMerkur Trust um?
Preuß: Nach der extrem positiven Entwicklung der Aktien- und Rentenmärkte am Ende des letzten Jahres können wir uns im ersten Halbjahr ein Durchatmen bzw. eine leichte Korrektur durchaus vorstellen. Für das Gesamtjahr rechnen wir auf den globalen Aktienmärkten trotzdem mit leicht positiven Renditen. Die im historischen Vergleich günstige Bewertung unterstützt die Aktienmärkte auch in 2024. Ein schwächeres globales Wachstum und eventuell längerfristig höhere Zinsen als vom Kapitalmarkt erwartet, dürften das Aufwärtspotenzial der Märkte jedoch nach oben begrenzen.
Sie sind 2022 Fondsmanagerin des Jahres geworden. Wie kam es zu der Auszeichnung?
Preuß: Ich musste auf der Homepage des Netzwerkes Fondsfrauen nominiert werden – und das hat ein Kollege für mich übernommen. Allein darüber habe ich mich schon riesig gefreut. Über die Auszeichnung freue ich mich natürlich noch mehr.
Mit Stella Ma von Vontobel und Jeanette Bruns von der Deka standen zwei Fondsmanagerinnen mit mir auf der Shortlist, die ich extrem schätze und die zudem für große, namhafte Häuser arbeiten. Dass ich als Fondsmanagerin bei einem eher kleineren Asset-Manager hier überzeugen konnte, kam für mich allerdings überraschend.
Sie könnten auch in einem dieser großen Häuser arbeiten. Sie haben sich aber bewusst für die HanseMerkur und nicht für solche Platzhirsche wie die DWS oder die Allianz Global Investors entschieden. Warum?
Preuß: Die Entscheidung, bei der HanseMerkur Trust zu arbeiten, basiert auf meinem Interesse an einer dynamischen und vielseitigen Arbeitsumgebung. Hier schätze ich die Möglichkeit, aktiv zur Entwicklung des Unternehmens beizutragen und vielfältige Aufgaben zu bewältigen.
Während ich momentan bewusst diesen Weg eingeschlagen habe, schließe ich allerdings nicht aus, dass sich in Zukunft neue Chancen ergeben könnten. Falls sich die Gelegenheit bietet, werde ich sicherlich darüber nachdenken, ob ein Wechsel zu größeren Platzhirschen wie der DWS oder der Allianz Global Investors meinen beruflichen Zielen entspricht. Doch momentan bin ich sehr glücklich bei der HanseMerkur Trust.
Das Netzwerk „Fondsfrauen“ wurde ins Leben gerufen, um Frauen in der Finanzbranche mehr Sichtbarkeit zu geben. Sind wir da auf einem besseren Weg?
Preuß: Bedingt. Bei vielen Veranstaltungen sieht man immer noch überwiegend Männer. Netzwerke wie das der „Fondsfrauen“ zeigen aber, dass es vorangeht und die Sichtbarkeit von Frauen in der Branche erhöht wird. Dieser Austausch ist enorm wertvoll.
Die Frauenquote im Fondsmanagement liegt wohl weiterhin nur knapp über zehn Prozent und ist nicht gestiegen. Die HanseMerkur Trust hatte im letzten Quartal eine neue Stelle für einen Portfoliomanager ausgeschrieben. Unter den Bewerbungen gab es keine einzige Frau. Ich weiß aber nicht, warum das so ist. Es ist ein toller und total spannender Beruf, in dem es garantiert nie langweilig wird.
Sie haben Ihren Traumberuf gefunden. Hatten Sie es in Ihrer Karriere schwerer als Ihre männlichen Kollegen?
Preuß: Ich persönlich hatte nie das Gefühl, dass ich es schwerer habe als andere, nur weil ich eine Frau bin. Insgesamt nehme ich branchenübergreifend leider noch immer große Hürden wahr, wenn es um die Vereinbarkeit von Vollzeitberufstätigkeit und Familie geht. Ich persönlich profitiere vom Kita-Angebot meines Arbeitgebers. Die Kita befindet sich unmittelbar neben unserem Unternehmenssitz, das erleichtert die Vereinbarkeit ungemein und spart Zeit und Wege.
Es ist extrem wichtig, dass es in Deutschland zu einer Selbstverständlichkeit wird, dass flächendeckend umfassende und flexible Kinderbetreuungsangebote zur Verfügung stehen. Gerade mit Blick auf den Fachkräftemangel braucht es hier schnelle Fortschritte. Aber das ist kein Spezifikum der Finanzbranche.
Frau Preuß, wir danken Ihnen für das Gespräch.